PAK-Belastung in ehemaligen US-Housings -

Daten zur Diskussion um die angemessene Probenahme:

Kehrproben führen zur Unterschätzung der Hausstaub-Belastung mit Schadstoffen

H. Obenland, ARGUK-Umweltlabor GmbH

 

Bezugnahme
 

Beim ersten Expertengespräch im UBA wurde bezüglich der Hausstaub-Probenahme übereinstimmend festgestellt:
"Bei schlechtem Parkettzustand können beim Absaugen des Bodens Teile des Klebers aus dem Unterbau mit in die Probe gelangen. Dies ist beim Kehren nicht der Fall. Die Experten waren daher der Meinung, daß durch Kehren gewonnene Proben eine bessere Einschätzung der Belastungssituation erlauben." (2)

Beim zweiten Expertengespräch wurde die Frage der angemessenen Probenahme nicht mehr weiter thematisiert.

Differenzierter als in der UBA-Expertenrunde wird das Problem im HMUEJFG betrachtet. Der entsprechende Erlaß sieht zwar die "Gewinnung der Proben durch Zusammenkehren des Hausstaubes" vor, läßt aber auch durch Absaugen des Bodens gewonnene Proben für die Beurteilung einer Sanierungs-notwendigkeit zu, solange "keine über-zeugenden Befunde vorliegen, die dokumentieren, daß auf diese Weise gewonnene Proben grundsätzlich unrealistisch hohe PAK-Expositionen anzeigen."

Die Ergänzung des Erlasses vom 06.05.98 kommt unter Hinweis auf "orientierende Untersuchungen zu Kehrproben" und dem dabei festgestellten extrem niedrigen Feinstaubanteil (< 63 µm-Fraktion unter 1 %) zu dem Schluß: "Sollte sich dieser Befund bestätigen, so muß bezweifelt werden, ob Kehrproben ohne weiteres als aussagefähige Grundlage für eine Expositionsabschätzung verwendet werden können".

Als Labor mit reichhaltiger Erfahrung im Zusammenhang mit Schadstoff-Belastungen in ehemaligen US-Housings haben wir bereits am 27.03.98 in einer "fachlichen Stellungnahme" zu den Ergebnissen des ersten UBA Expertengesprächs ausgeführt: "Das Absaugen des Bodens kann wohl zur Überschätzung, das Kehren aber auch leicht zur Unterschätzung (Feinstaubverluste!) führen. Uns erscheint der erstgenannte Fehler vertretbarer zu sein als der letztgenannte."

Um über das Stadium bloßer Meinungsbekundungen hinauszukommen und um kostspieligen Fehleinschätzungen auf Grundlagen möglicherweise untauglicher Probenahmen vorzubeugen, haben wir eine Housing-Wohnung in Frankfurt/M. exemplarisch parallel nach beiden in der Diskussion befindlichen Verfahren beprobt und die so gewonnenen Stäube neben PAK auch auf vermutlich untergrund-unabhängige, also vom Parkett unbeeinflußte Substanzen wie Pestizide (hier Chlorpyrifos und Permethrin) und PCB untersucht.

Der Parkettzustand in der untersuchten Wohnung ist mit Fugen bis zu 5 mm Breite, davon ca. 30% gerissen, als eher schlecht zu bezeichnen.

Kehrprobe: VILEDA Superfeger

Saugprobe: Handelsüblicher Staubsauger mit Doppelkammerstaubbeutel, 1000 Watt

Die Stäube wurden jeweils als Gesamtstaub und als Feinstaub (< 63 µm) analysiert. Neben dem jeweiligen Feinstaub-Anteil wurde noch die in Abhängigkeit vom Probenahmeverfahren sich ergebende Flächenbeladung ermittelt.

Den erhaltenen Daten näherten wir uns mit folgenden Fragen:

- Wie verhalten sich die Konzentrationen
    a.) in den Feinstäuben und
    b.) in den Gesamtstäuben zueinander?

- Läßt sich für das Saugverfahren eine Überschätzung der untergrund-abhängigen PAK erkennen und quantifizieren?

- Erlaubt das Kehrverfahren gegenüber dem Saugverfahren eine bessere Einschätzung der Belastungssituation?

 

Ergebnisse:
 

  Kehrproben Saugproben
  Gesamtstaub Feinstaub* Gesamtstaub Feinstaub*
Feinstaub-anteil [%] 2,6 100 9,5 100
Flächenbela-dung (g/m2) 0,17 0,0044 0,60 0,0570
PAK (EPA) 

[µg/g] 

22,1 191 302 1125
BaP [µg/g] 1,3 13,4 15 60
PCB [µg/g] 8,5 55,5 29,1 64,6
Chlorpyrifos [µg/g] 1,9 4,8 5,5 8,5
Permethrin [µg/g] 2,1 11,4 6,9 17,1

*: (< 63 µm) [µg/g]: Mikrogramm pro Gramm

Tabelle 1: Analysedaten
 

Verfahrensvergleich für vom Parkett unabhängige Substanz-Konzentrationen

Ein Vergleich der Feinstaub-Anteile in den Gesamtstäuben der Proben zeigt für die Kehrprobe einen deutlichen Minderbefund gegenüber der Saugprobe. Wie weitere Versuche gezeigt haben, kann diese Diskrepanz in Abhängigkeit von der Art und Weise des Kehrens noch erheblich größer ausfallen.

Im vorliegenden Vergleich wurde der VILEDA-Superfeger besonders aufwendig geführt:

- In Längsrichtung des Stabparketts, um Verluste durch Zukehren der Fugen zu verhindern

- Rückführung zum parallelen Neuansatz über die bereits gekehrte Bahn und mit einem Abstand von mindestens 20 cm vom Boden, um Feinstaub-Aufwirbelungen zu verhindern.

- Kehrgeschwindigkeit von maximal 10 cm*sec-1, um Feinstaub-Verluste zu begrenzen.

- Absaugen des Fegers nach jedem gekehrten m2, um infolge Überladung der Kehrkante auftretende Feinstaub-Verluste zu vermeiden.

Auf den Fegerstiel wurde verzichtet und der in einer Führung sich befindliche Polyurethan-Schaum direkt (in der Hocke) über den Boden geführt.

Kehren mit dem VILEDA-Feger unter Nichtbeachtung dieser Vorsichtsmaßnahmen führte in derselben Wohnung zu Gesamtstaub-Proben mit Feinstaub-Anteilen von unter einem Prozent.

Für durch Saugen gewonnene Gesamtstaub-Proben liegen nach unserer Labor-Statistik die Feinstaub-Anteile in einer Spannweite von 6 bis 25 %, wobei das arithmetische Mittel 14,8 % (n= 45) beträgt. Die Schadstoff-Konzentrationen im Gesamtstaub liegen dabei im unteren Bereich der genannten Spannweite bei einem Viertel, im oberen Bereich der genannten Spannweite bei drei Vierteln der Konzentration im Feinstaub.

Mit sinkendem Feinstaub-Anteil im Gesamtstaub sinken also die Schadstoff-Konzentrationen im Gesamtstaub, da der Feinstaub der maßgebliche Schadstoffträger ist.

Jede Hausstaub-Probenahme muß deshalb sicherstellen, daß der Feinstaub-Anteil in der Probe auch den realen Verhältnissen nahekommt. Feinstaub-Verluste bei der Probenahme führen unweigerlich zu Unterschätzungen der Hausstaub-Belastung mit Schadstoffen.

In welchem Maße die Kehrprobe in der hier vorgestellten Parallel-Beprobung solche Unterschätzungen aufweist, zeigt sich, wenn man die Konzentrationen der vom Parkettzustand unabhängigen Substanzen -3- in der Kehrprobe (als c(Kehrprobe) in [µg/g]) zu den Konzentrationen der vom Parkettzustand unabhängigen Substanzen in der Saugprobe (als c(Saugprobe) in [µg/g]) ins Verhältnis setzt und dabei nach Feinstaub und Gesamtstaub unterscheidet.

In Abbildung 1 wird dies vorgenommen. Zusätzlich wird auch das Konzentrationsverhältnis für das vom Parkettzustand abhängige BaP dargestellt, das gut erkennbar eine Sonderstellung einnimmt. Darauf ist später einzugehen.

Abbildung 1: Analyseergebnisse in Abhängigkeit vom Probenahme-Verfahren

 

Daß bereits im Feinstaub-Vergleich die Konzentrationen der vom Parkettzustand unabhängigen Substanzen für die Kehrprobe im Mittel nur bei zwei Dritteln der Werte für die Saugproben liegen, zeigt ein weiteres Problem der Feinstaub-Verluste beim Kehren an: Die kleinsten, aber am höchsten belasteten Partikel gehen bevorzugt verloren!

Im Gesamtstaub-Vergleich zeigen die Konzentrationen der vom Parkettzustand unabhängigen Substanzen für die Kehrproben gar weniger als ein Drittel der Werte für die Saugprobe an. Da die mit dem Feinstaub-Verlust beim Kehren beschriebenen Probleme grundsätzlich auch für andere Substanzen als die genannten gelten, ist allgemein festzustellen:  

  • Auf Grundlage des Kehrverfahrens gewonnene Analysewerte vermögen nur ein Viertel bis ein Drittel der durch das Saugverfahren feststellbaren Belastungen anzuzeigen.
  • Verfahrensvergleich für die vom Parkettzustand abhängigen PAK-Konzentrationen

    Um die Überschätzung der Konzentrationen der vom Parkettzustand abhängigen PAK durch das Saugverfahren zu prüfen und quantitativ zu erfassen, ist auf die bereits in Abbildung 1 erkennbare Sonderstellung für BaP zurückzukommen. Was dort als überdurchschnittliche Unterschätzung des Kehrverfahrens für diese Substanz erscheint, ist in Wirklichkeit das Resultat aus der Unterschätzung, die das Kehrverfahren ganz allgemein zeigt, und der spezifischen Überschätzung, die das Saugverfahren auf dem fraglichen Untergrund liefert.

    Wenn man die allgemeine Unterschätzung durch das Kehrverfahren mittels der vorgestellten Unterschätzungsfaktoren "herausrechnet", eignet sich das Kehrverfahren als Referenz, um die Überschätzung der BaP-Belastung durch das Saugverfahren zu quantifizieren.

    Hierzu werden die BaP-Konzentrationen in der Saugprobe (als c(Saugprobe) in [µg/g]) zu den um die Unterschätzungsfaktoren (fU) korrigierten BaP-Konzentrationen in der Kehrprobe ( als c(Kehrprobe) in [µg/g]) ins Verhältnis gesetzt (Abbildung 2). Zum Vergleich mit dem Idealzustand (d.h. Probenahme-Verfahren weichen nicht voneinander ab) werden wieder PCB, Chlorpyrifos und Permethrin aufgeführt.


    Zusammenfassung:

    1. Das Kehrverfahren unterschätzt aufgrund unvermeidlicher Feinstaubverluste systematisch und unspezifisch die tatsächliche Belastungssituation.
    2. Das Saugverfahren überschätzt spezifisch die Belastungssituation durch vom Bodenaufbau herrührende Substanzen. Im vorliegenden Fall betrifft das die PAK.
    3. Analysenwerte für nicht vom Bodenaufbau herrührende Substanzen können sich deshalb verfahrensabhängig um ca. den Faktor 3, Analysewerte für vom Bodenaufbau herrührende Substanzen um den Faktor 10-15 unterscheiden.

     

    Diskussion:

    Durch Kehren gewonnene Proben erlauben mitnichten eine bessere Einschätzung der Belastungssituation. Eher ist das Gegenteil der Fall: Während durch Saugen gewonnene Proben bezüglich der PAK-Belastung durch Überschätzung um den Faktor 3-4 sozusagen auf der sicheren Seite irren, irren durch Kehren gewonnene Proben um denselben Faktor auf der unsicheren Seite. Das sollte aber im Kontext von Risikoabschätzungen tunlichst vermieden werden.

    Kehrproben als Gesamtkehricht müssen deshalb als Bewertungsgrundlage ausscheiden. Statthaft wäre es allerdings, den in Kehrproben vorhandenen Feinstaub-Anteil zu analysieren und die Werte durch eine noch festzulegende Zahl zwischen 1 und 2 zu teilen. Man erhielte so eine sehr gute Annäherung an die tatsächlichen Verhältnisse, benötigte aber wegen der knappen Stoffmenge aufwendigen Probenahme- und Laboraufwand.

    Saugproben eignen sich trotz spezifischer Überschätzung der PAK-Belastungssituation grundsätzlich als Bewertungsgrundlage. Im Gesamtbild der PAK-Risiko-Abschätzung sind sie keineswegs unrealistischer als z.B. die angenommene Resorptionsrate vom 100%. Allerdings wäre auch für Saugproben die Anwendung eines Korrekturfaktors, der den Parkettzustand beschreibt, sinnvoll, um eine bessere Annäherung an die tatsächlichen Verhältnisse zu erreichen.
     



    Korrespondenz-Autor:

    Herbert Obenland
    ARGUK-Umweltlabor GmbH
    Krebsmühle 1, 61440 Oberursel
    TEL.: 06171 / 71817, FAX: 06171 / 71804



    Vielen Dank für die freundliche Genehmigung für die Veröffentlichung (BISS)